25.03.2022

Frischer Wind für die Schifffahrt aus Leer

Alternativen zu den steigenden Energiepreisen sind auch in der Schifffahrt dringend gefragt. Was liegt da näher, als sich auf die Wurzeln der Seefahrt zu besinnen und den Wind zu nutzen? Er ist kostenlos verfügbar und dank neuer Technologien nicht nur auf den Einsatz mit konventionellen Segeltüchern beschränkt. Im Rahmen einer Veranstaltung des Kompetenzzentrums GreenShipping Niedersachsen, gemeinsam mit der Fraunhofer Arbeitsgruppe „Nachhaltige Maritime Mobilität“ und der MARIKO GmbH, gingen 70 Teilnehmer im Maritimen Technikum der Hochschule Emden Leer den Voraussetzungen, Chancen und möglicher Geschäftsmodelle von Segeltechnologien auf den Grund.

Windzusatzantriebe vor der Scaling-up-Phase

Die Beweise für Kraftstoffeinsparungen von Windzusatzantrieben bis zu 20% liegen auf der Hand: insbesondere Flettnerrotoren sind schon auf einigen Schiffen vertreten und sorgen auch bei den anwendenden Reedereien für Begeisterung. „Was nun folgen muss, ist das Scaling-up wie bei den Windkraftanlagen“ zieht Jann Strybny den Vergleich zur Windkraftbranche. Diese habe in den 80er Jahren am gleichen Punkt gestanden wie nun die Windzusatzantriebe: die Machbarkeit und Vorteile sind bewiesen, eine Skalierung zu größeren Anlagen muss folgen. „Wir haben hier am Standort Leer die idealen Voraussetzungen geschaffen, um das Thema Windzusatzantriebe für die weltweite Schifffahrt zu pushen“ so Michael Vahs weiter. Beide Professoren der Hochschule Emden Leer begeistern mit den technischen Finessen des Maritimen Technikums, das im vergangenen Jahr eingeweiht wurde. Sie leiten über zur regionalen Start-up-Szene und Erstanwendern der Technologien, die über ihre Erfahrungen berichten.

So sind Flettnerrotoren aber auch Venti-Foil-Systeme bereits im Einsatz und überzeugen die Reedereien mit den erzielbaren Kraftstoffeinsparungen aber auch mit der einfachen Handhabbarkeit im Betrieb. Es wurde bestätigt, dass es jetzt vor allem darum geht, die erprobten und praxistauglichen Systeme für eine breite Anwendung in größeren Maßstäben in den Markt zu bringen, um noch größere Einspareffekte zu erzielen.

High-End-Yachttechnologie für die Seeschifffahrt

Die Yachttechnologie-Branche kann Erkenntnisse der Weiterentwicklungen der Segeltechnologie der vergangenen Jahre und Jahrzehnte in die Berufsschifffahrt transferieren. Sie hat hier einen immensen Wissens- und Erfahrungsvorsprung, über dessen Crossover-Potenzial Torsten Conradi von Judel/Vrolijk berichtet. Als Vorbild für Windantriebssysteme in der Seeschifffahrt solle das sogenannte „Push-Button-Sailing“ dienen, mit dem moderne Segelyachten im Luxussegment per Knopfdruck von kleinsten Besatzungen gefahren werden können.

Praxisbeispiele von Werften und Zulieferern für Segeltechnologie zeigten, dass die Technik zur Handhabung von großen Segelflächen bereits vorhanden ist und auch in der Seeschifffahrt eingesetzt werden kann. Eine Vergrößerung der Segelsysteme hat im Yachtmarkt in den vergangenen Jahrzehnten bereits stattgefunden und die technischen Lösungen dafür sind mitgewachsen und auch für die Seeschifffahrt verfügbar.

Einiges aber nicht alles neu denken

In einem sind sich alle Teilnehmer auch in den Pausen einig: es muss etwas passieren, um den Energieverbrauch und damit die Emissionen sofort zu senken. Windzusatzantriebe sind hier aktuell das Mittel der Wahl, so scheint es unter den Teilnehmern. Doch wie verändert das die Transportwelt? Im dritten Block der Veranstaltung wurde darüber diskutiert, wie sich bestehende Geschäftsmodelle an die andere Ausgangslage bei der Nutzung von Wind als Zusatzantrieb anpassen müssen. In diesem Kontext wurde betont, dass sich Windzusatzantriebe vor allem für Neubauten lohnen, bei denen die Systeme bereits im Entwurfsprozess mitgedacht werden können und so optimale Anpassungen und Einbausituationen vorherrschen. Nichtsdestotrotz seien auch Nachrüstungen von Windzusatzantrieben notwendig und durchführbar, um die Klimaziele schnell zu erreichen.

Als Herausforderung wird nach wie vor gesehen, dass die Projektlaufzeiten für nachträgliche Installationen von Windzusatzantrieben derezit relativ lang sind und damit deutlich mehr Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Darüber hinaus wurde kritisch bewertet, dass die Zeiträume für den return on invest für viele Reeder zu lang seien und die politischen Rahmenbedingungen nicht zielgerichtet genug seien. Reedereien sehen sich zunehmend damit konfrontiert, dass sie immer mehr finanzielle Aufwände haben, die strenger werdenden Emissionsvorschriften einzuhalten, diese Kosten aber nicht in der Lieferkette entsprechend weitergeben können. Hier müsse ein generelles Umdenken in der Bepreisung von transportierten Produkten stattfinden, um eine nachhaltige Finanzierung zu erreichen.

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