15.10.2021

„Wir fahren mit (dem) Strom – Elektrische Antriebssysteme für die Schifffahrt“

Elektrische Antriebssysteme stehen im Fokus zahlreicher Projekte und Initiativen, da sie unter anderem aufgrund hoher Wirkungsgrade gute ökonomische und ökologische Zukunftsperspektiven für die Schifffahrt bieten. Herausforderungen stellen sich insbesondere bei der aktuellen Verfügbarkeit von Brennstoffzellensystemen im Megawattbereich oder bei der Speicherkapazität von Batteriesystemen. Im Rahmen der Veranstaltung „Wir fahren mit (dem) Strom – elektrische Antriebssysteme für die Schifffahrt“, die am 14. Oktober 2021 unter Beteilung von knapp 140 Teilnehmer*innen stattfand, wurden aktuelle Entwicklungen und Projekte vorgestellt und diskutiert, inwieweit sich elektrische Antriebssysteme weiter durchsetzen könnten und wie den Herausforderungen begegnet werden kann.

Kerstin Broocks von der guideLINE GmbH führte durchs Programm. Dr. Susanne Neumann, Leiterin der Geschäftsstelle Niedersachsen des Maritimen Clusters Norddeutschland, begrüßte stellvertretend für alle Partner des Kompetenzzentrums GreenShipping Niedersachsen die Teilnehmer*innen: „Den Herausforderungen der Zukunft begegnet das Kompetenzzentrum GreenShipping Niedersachsen in den verschiedensten Schwerpunkten – alternative Antriebssysteme ist dabei einer der wichtigsten und wird mit umfassenden Aktivitäten der einzelnen Projektpartner innovativ vorangetrieben“, sagte Neumann.

Brennstoffzellen aus Dänemark – Ausgangsleistungen bis 5 MW möglich

Mads Friis Jensen, Co-founder und CCO von Blue World Technologies, stellte das Brennstoffzellensystem des Unternehmens vor, das für den Einsatz in maritimen Anwendungen vorgesehen ist. Unter Beteiligung von Alfa Laval entwickelt Blue World Technologies ein System mit 200 kW Ausgangsleistung je Einheit, Skalierungen bis zu 5 MW sind durch den Einsatz mehrerer Module möglich. Das System soll ab Mitte 2022 verfügbar sein. Der für die Brennstoffzelle benötigte Wasserstoff wird durch einen internen Reformer unter Nutzung der Abwärme der Brennstoffzelle in einem sehr effizienten Prozess aus Methanol gewonnen.

CO2-neutrale Hafenrundfahrten

Hafenrundfahrten in Emden sollen zukünftig CO2-neutral sein. Für einen innovativen Neubau des bisherigen Hafenboots „MB Ratsdelft“ haben sich die Betreiber-Reederei AG Ems aus Emden, die Schiffswerft Diedrich aus Oldersum sowie die MARIKO GmbH aus Leer in einem Innovationsprojekt zusammengetan. Sören Berg von der MARIKO GmbH stellte die Ideen des Neubaus vor, der rein elektrisch fahren, mit Brennstoffzellen ausgerüstet werden und ein innovatives Schiffsdesign zur Anpassung der Durchfahrtshöhe unter Brücken aufweisen soll. „Brennstoffzellen unterstützen Batterien zusätzlich, um die Reichweite zu erhöhen“, sagte Berg.

Ein vollständig elektrisches Forschungsboot

Das OFFIS e.V. – Institut für Informatik betreibt mit eMIR (eMaritime Integrated Reference Platform) eine maritime Forschungsplattform für die Entwicklung und Erprobung zukünftiger maritimer Systeme. Für diese Plattform wird derzeit ein neues Forschungsboot gebaut, mit dem die Erprobung unterschiedlichster maritimer Anwendungsszenarien ermöglicht wird. „Das Boot wird vollständig elektrisch betrieben sein“, sagte Dr. André Bolles, Bereichsleiter FuE Bereich Verkehr von OFFIS. „Zusätzlich wird es voll aktuiert, das heißt, in jede Richtung beweglich und auch auf der Stelle drehbar sein.“ Das Boot kann voraussichtlich im Frühjahr nächsten Jahres in Betrieb genommen werden. „eMIR ist eine Forschungs- und Entwicklungsplattform, die auch von interessierten Forschungseinrichtungen und Unternehmen genutzt werden kann“, betonte Bolles. Den ersten Einsatz wird das Forschungsboot im Rahmen des Projekts AMISIA haben, in dem ein autonomes Baggerschiff konzipiert wird.

Grünes Wassertaxi

Sascha Strasser und Johannes Möller, beide wissenschaftliche Mitarbeiter am Fachbereich Seefahrt und Maritime Wissenschaften an der Hochschule Emden/Leer, stellten das Green Water Taxi aus dem Projekt H2Watt vor. Dabei handelt es sich um ein Konzeptfahrzeug, das Passagiere und auch kleine Lasten flexibel zwischen Festland und Inseln in der Wattenmeer-Region befördern soll. Im Zentrum des Antriebskonzepts steht ein batterie-elektrischer Antrieb. Der Prototyp wurde diesen Sommer im Wattenmeer getestet und das Grundkonzept des Katamarans für den schnellen Personentransport im Wattenmeer konnte bestätigt werden. Nun geht es darum, die Antriebstechnologie mit so genannten „Range Extendern“ zu erweitern. „Wir wollen mit dem Schiff lokal Zero Emission fahren. Das geht mit vollelektrischen Antrieb mit Batteriespeicher“, sagte Strasser. „Als Range Extender nutzen wir Brennstoffzellen auf Basis von grünem Methanol. Zusätzlich besteht die Möglichkeit mit einem Flettner-Rotor den Wind zur Unterstützung des Antriebs zu nutzen, sobald die Gegebenheiten das zulassen.“ Über die noch zu bewältigenden Herausforderungen, wie etwa die Verbesserung der Propeller-Anströmung, sprach Möller.

Assistenzsysteme zur Anlaufoptimierung

Prof. Dr.-Ing. Christian Denker, Professor für Technische Navigation und Assistenzsysteme in der Schiffsführung am Fachbereich Seefahrt und Logistik der Jade Hochschule in Elsfleth, sprach über Assistenzsysteme zu Anlaufoptimierung von Schiffen in Häfen. Ziel ist es, künftig eine Verbrauchsreduktion bei der Anfahrt von Häfen zu erreichen. Ermöglicht wird dies durch Systeme, die Nautiker*innen an Bord dabei unterstützen, eine möglichst energie-optimale Route zum Zielhafen zu wählen. Im Idealfall werden die Erfahrungen des nautischen Personals in ein automatisiertes System überführt. Im Projekt greenCoPilot arbeiten Forschende an Methoden zur besseren Kommunikation und Automation, damit auch in der Schifffahrt Lagebilder des Verkehrs synchron an Bord der beteiligten Schiffe und in den Verkehrs- und Flottenzentralen erzeugt werden können. Um gemeinsam mit interessierten Unternehmen im Bereich nautische Assistenzsysteme aktiv zu werden, baut die Jade Hochschule eine KI-Recheninfrastruktur auf, um beispielsweise raum- und zeitabhängige nautische Daten in diesem Zusammenhang künftig schneller in Bezug setzen zu können. „Häfen von Emissionen zu befreien ist ein gutes Ziel: Denn Häfen sind die Orte, an denen die Auswirkungen der Schiffsemissionen für viele Menschen am deutlichsten zu spüren sind. In diesem Sinne, fahren Sie am besten mit Strom, aber auch mit dem Strom!“, sagte Denker.

„Der Zukunftsantrieb ist elektrisch“

Prof. Dr. Markus Bentin, Dekan des Fachbereichs Seefahrt und Maritime Wissenschaften an der Hochschule Emden/Leer, eröffnete die Podiumsdiskussion mit der These „Der Zukunftsantrieb ist elektrisch“. Er fragte Marko Möller, Manager Special Projects bei der Scandlines Deutschland GmbH, „ob das Unternehmen sich auch vollelektrisch traue“. „Ja“, erwiderte dieser, „aber derzeit nur auf der Fährlinie zwischen Puttgarden und Rødby. Neben der Schiffsgröße und dem damit verbunden Energieverbrauch spielt die Dauer der Überfahrt eine entscheidende Rolle und daher sehen wir Stand jetzt noch nicht die batterieelektrische Überfahrt auf der längeren Linie zwischen Rostock und Gedser.“ Eine Kombination sei denkbar, aber es hänge stark von vielen Spezifikationen ab.

Christian Hoepfner, geschäftsführender Gesellschafter von der Wessels Marine GmbH, ergänzte: „Die Vorteile von Batterielösungen liegen in der sehr hohen Effizienz und darin, dass sie keine Emissionen verursachen und damit sehr sauber sind, sofern sie mit grünem Strom aufgeladen werden.“ Jedoch seien aktuelle Batterielösungen für hohe Leistungsbedarfe auf längeren Distanzen noch keine Alternative zum Verbrennungsmotor. Ebenfalls nachteilig zu bewerten sind noch die hohen Ladezeiten sowie die aufwendige Fertigung und Entsorgung der Akkusysteme. „Auf kurzen Distanzen in Punkt-zu-Punkt-Verkehren bieten Batterien schon heute hervorragende Lösungen, insbesondere auch für Personen- und Fährverkehre“, sagte Hoepfner.

„Die Basis muss der grüne Strom sein“

Am Ende der Veranstaltung resümierte Katja Baumann, Geschäftsführerin der MARIKO GmbH: „Wir haben uns im Rahmen der Veranstaltung einem breiten Spektrum an Projekten gewidmet, mit unterschiedlichen Ansatzpunkten und Größen. Wir brauchen diese guten kleinen Beispiele hier in der Region, um auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen mitzunehmen bei den neuen Entwicklungen rund um das Thema Green Shipping und Digitalisierung.“ Baumann betonte: „Wir müssen Wasserstoff denken, wir müssen über Elektrifizierung nachdenken, aber die Basis dafür muss der grüne Strom sein. Das ist erstmal die Hauptherausforderung, an der wir in der Zukunft arbeiten müssen. Deshalb wird das Kompetenzzentrum GreenShipping Niedersachsen diese Themen auch in den kommenden Monaten in weiteren Veranstaltungen und Projekten aufgreifen und vorantreiben.“

Kontakt

Maritimes Cluster Norddeutschland e. V.
Eva von Soosten, eva.von-soosten@maritimes-cluster.de, +49 (0) 4404 98786 17

MARIKO GmbH
Sören Berg, soeren.berg@mariko-leer.de, +49 (0) 491 926 1147

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