Leer, 09.07.2021

Die Qual der Wahl: Welcher Kraftstoff macht das Rennen?

Der Workshop fand im Rahmen des Kompetenzzentrums GreenShipping Niedersachsen und in Kooperation mit dem deutschen und niederländischen Reederverband sowie dem Projekt „H2Watt“ am 08.07.2021 online statt.

Fotos von o. l.: Frank Nieuwenhuis (Econowind), Jorrit Harmsen (TNO), Leo van der Burg (FME), Khalid Tachi (EICB), Sören Berg (MARIKO GmbH), Ramona Zettelmaier (Bureau Veritas), Wolfgang Franzelius (HB-Hunte Engineering GmbH)

Online-Workshop.

Fossile Kraftstoffe sind ein Auslaufmodell und Alternativen, basierend auf erneuerbaren Energien, finden dagegen immer mehr Anwendungen. So steht der Einsatz von Methanol, aber auch von Windzusatzantrieben derzeit im Fokus vieler Innovationsprojekte in Deutschland und den Niederlanden, die im Rahmen einer grenzübergreifenden Veranstaltung vorgestellt und diskutiert wurden. Als neue Kraftstoffoption startet Ammoniak ins Rennen, das vielversprechende Potentiale aufzeigt. Darüber hinaus wurde über Empfehlungen für die schnellere Einsatzfähigkeit der genannten Alternativen mit Branchenexperten diskutiert.

Erfolgsrezept CO2-freier Kraftstoffe ist Forschung und Kooperation

Während noch der Großteil der weltweiten Flotte mit niedrigschwefligen Dieselkraftstoffen fährt, drängt sich LNG allmählich immer weiter in den Markt. Auch weitere Alternativen stehen in den Startlöchern, um die CO2-Emissionen der Schifffahrt nicht nur kurz- sondern auch langfristig zu senken. „Das Erfolgsrezept für die Entwicklung klimaneutraler Antriebskonzepte und die Verwendung marktfähiger, CO2-freier Kraftstoffe besteht maßgeblich aus zielgerichteten Forschungsaktivitäten und internationaler Kooperation.“ so Ralf Nagel vom Verband Deutscher Reeder in seinen Begrüßungsworten. Wichtig sei es, über Grenzen hinweg die Entwicklungen voranzutreiben, denn „auch unser Fuel-Workshop, die Vernetzung hier und der Erfahrungsaustauch“ trügen zum Erfolg der alternativen Antriebskonzepte bei, so Nagel. Am Erfahrungsaustausch nahmen mehr als 100 Teilnehmer aus den Bereichen Schifffahrts-, Bunker- und Energiebranche teil, die der Einladung des Kompetenzzentrums GreenShipping Niedersachsen, des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), der Koninklijke Vereniging van Nederlandse Reders (KVNR), der MARIKO GmbH sowie dem INTERREG-Projekt „H2Watt“ folgten.

Die Regeln geben den Takt vor

Entscheidend bei der Anwendung alternativer Antriebe und Kraftstoffe sind die geltenden Regelwerke. Torsten Mundt vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zeigte in seinem Beitrag die aktuellen Entwicklungen bei der IMO hinsichtlich der letzten Sitzung des „Marine Environment Protection Committee“ (MEPC 76). In der vergangenen Sitzung wurde der Fokus auf kurzfristige Maßnahmen bis zum Jahr 2023 gelegt. So wurde der EEXI, ein neuer Carbon Intensity Index (CII) und ein erweiterter SEEMP verabschiedet, die ab dem 01.01.2023 in Kraft treten sollen. Herr Mundt betonte, dass das ein gutes Ergebnis, angesichts der vielen anstehenden Aufgaben jedoch nicht ambitioniert genug sei, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Ein Grund liegt in den Einschränkungen der Sitzung in Onlinemeetings und einem gewissen Stau an eingereichten Dokumenten: so kamen zu den über 200 Anträgen noch 78 offene von den vorherigen Sitzungen dazu.

Methanol und Ammoniak auf dem Vormarsch

Der Kraftstoff Methanol ist in der Branche mittlerweile bekannt und findet den Weg von den Schreibtischen in die Realität. So berichtete Prof. Kapt. Michael Vahs von der Hochschule Emden-Leer von den aktuellen Entwicklungen des sogenannten „Green Water Taxi“, das im Rahmen des Projekts „H2Watt“ weiter ausgerüstet und getestet wird. Der bereits innerhalb des abgeschlossenen Projektes „MariGreen“ entstandene Versuchskatamaran wurde jüngst für Testzwecke von Emden nach Norddeich auf eigenem Kiel überführt, um hier vor Ort Erfahrungen mit dem Schiffs- und Antriebskonzept sammeln zu können. Der elektrische Antrieb soll durch Brennstoffzellen erweitert werden, um die Reichweite des Green Water Taxis zu erhöhen, die aufgrund der Batteriekapazität derzeit eingeschränkt ist.

Darüber hinaus berichtete Leo van der Burg von FME über die Aktivitäten und Fortschritte im Projekt „GreenShipping Waddenzee“, das auf niederländischer Seite durchgeführt wird. Übergeordnetes Ziel ist es, die CO2-Emissionen der Flotte im niederländischen Wattenmeer um 60% bis zum Jahr 2030 zu reduzieren, wozu elf verschiedene Projekte in der Umsetzung sind. Ein erstes Ergebnis ist die „Ecolution“, die mit Brennstoffzellen basierend auf reinem Wasserstoff ausgerüstet wurde und bereits erfolgreich in Betrieb ist. Ein weiterer Fokus, der vorgestellt wurde, sind Direkt-Methanol-Brennstoffzellen, um auch kleinere Schiffe mit Brennstoffzellen ausrüsten zu können.

Das Projekt „Green Maritime Methanol“ in den Niederlanden beschäftigt sich mit dem Einsatz von Methanol auf verschiedenen Frachtschiffen und im Offshore-Versorgungssektor. Ein weiteres neues Projekt stellte Sören Berg von der MARIKO GmbH vor, bei dem ein neues Hafenboot für die AG Ems gebaut wird, das mit einem elektrischen Antrieb fahren wird und Methanol-Brennstoffzellen als Range Extender einsetzen soll.

Windantriebssysteme als CO2-Sparer

Wind findet seinen Weg als Zusatzantrieb zurück in die Seeschifffahrt und sorgt hier effektiv für CO2-Reduktionen. Anna Braren von der Reederei Rörd Braren berichtete von den Erfahrungen, die mit der kürzlich in Leer mit einem Flettnerrotor ausgestatteten „Annika Braren“ bisher gemacht wurden. So wird das System von der Besatzung sehr gut angenommen, da fast keine Wartungsarbeiten anfallen und das System vollautomatisch betrieben werden kann. Die Kraftstoffeinsparungen liegen zwischen neun und 13 Prozent im Jahr, was ebenfalls die CO2-Emissionen reduziert und durch die kommende CO2-Steuer zu doppelten Einsparungen führen wird.

Ein weiteres Prinzip der Windzusatzantriebe stellte Frank Nieuwenhuis von Econowind vor. Das System VentiFoul wurde bereits auf mehreren Schiffen nachgerüstet und bietet den Reedereien eine Einsparung von mindestens 10%. Die Komponenten können direkt an Deck installiert werden und sind bei Nichtgebrauch einklappbar, sodass Lade- und Löschvorgänge in Häfen nicht gestört werden. Zukünftig wird angestrebt, Einsparungen von 20% erreicht werden.

Ammoniak als kohlenstofffreie Alternative

Inwieweit Ammoniak als alternativer Kraftstoff auf Schiffen einsetzbar ist, wird nun in einer Studie untersucht, die Wolfgang Franzelius von HB Hunte Engineering vorstellte. Im Auftrag des Kompetenzzentrums GreenShipping Niedersachsen wird untersucht, welche Rahmenbedingungen gelten und weiteren Entwicklungen getätigt werden müssen, um Ammoniak an Bord sicher einsetzten zu können. Dabei sei wichtig, alle Facetten von der Produktion über den Transport bis hin zur Nutzung an Bord genau zu betrachten, so Franzelius. Die Ergebnisse der Studie werden im November verfügbar sein.

Die Zukunft jetzt starten

In einer abschließenden Diskussionsrunde mit Vertretern der deutschen und niederländischen Schifffahrt waren sich die Teilnehmer darüber einig, dass keine Zeit mehr bleibt zu diskutieren, sondern Investitionen jetzt getätigt werden müssen. Da grüne Kraftstoffe noch nicht in ausreichender Menge verfügbar sind, müsse in „future ready“ Schiffe investiert oder bestehende Schiffe umgerüstet werden. Herausfordernd sei laut Herrn Mundt dabei, dass es derzeit noch nicht genügend Antworten auf alle Fragen gibt, um auch die seegehende Schifffahrt zu dekarbonisieren.

Die Präsentationen der Referenten sind zum Download verfügbar.

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